Sünde 3 - Gekränktsein

Wer Sextipps meidet wie der Teufel das Weihwasser, tut sich keinen Gefallen. Wer aber auch noch beleidigt auf einen Vorschlag reagiert, weil der den bisherigen Gewohnheiten widerspricht, begeht eine unverzeihliche Todsünde. Denn es findet keine Gnade vor den Augen der Partnerin, wenn sie immer auf ihren Orgasmus verzichten muss.

»Der Grund für die Trennung war einfach verletzter Männerstolz«

Berlin: Claudia (45) zeigt Ekkehard (49), was Frauen wirklich wollen.

Als ich Ekkehard kennenlernte, hatte ich – immer noch – fürchterlichen Liebeskummer. Zwei Jahre zuvor war ich dahintergekommen, dass mein damaliger Freund, mit dem ich zehn Jahre zusammen gewesen war, ein doppeltes Spiel mit mir trieb. Das hat mich richtig aus der Bahn geworfen. Er war meine große Liebe, und es fiel mir unendlich schwer, ohne ihn zu sein. Schließlich konnte meine beste Freundin mein Jammern nicht mehr hören und beschloss, dass ich einen neuen Mann kennenlernen müsse. Wir gingen zusammen in ihr Stammlokal. Ich war schon Jahre nicht mehr ausgegangen, außer natürlich mit meinem Exfreund. Aber davor, als ich jünger war, hatte ich schon so einige Männer kennengelernt. Ich hielt mich also nicht für unerfahren. Aber dann kam halt meine große Liebe, und wir haben auch im Bett ziemlich viel ausprobiert. Allerdings war ich in den letzten zwei Jahren nach der Trennung zu traurig, um mich für jemand anderen zu interessieren.

Ich spürte seinen festen Ständer

Meine Freundin wollte mich also mit einem bestimmten Mann verkuppeln. Das wusste ich aber nicht. Auf jeden Fall kam an diesem Abend ein Mann zu uns an den Tisch, der sehr charmant war. Er hatte einen trockenen Humor, ich konnte mich wegwerfen vor Lachen. Plötzlich winkte meine Freundin einem zweiten Mann zu. »Ach, der Ekkehard ist ja auch da!« Ich wunderte mich über den etwas altertümlichen Namen und erwartete einen glatzköpfigen, etwas langweiligen Herrn. Aber dann stand vor mir: George Clooney. Und zwar so, wie er in dieser Krankenhausserie »Emergency Room« den Kinderarzt Dr. Doug Ross gespielt hatte. Volle dunkle Haare, buschige Augenbrauen, braune Augen, markantes Kinn und schön geschwungene Lippen. Und witzigerweise hatte auch Ekkehard beruflich mit Kindern zu tun, allerdings als Lehrer. Ekkehard und der andere Mann kannten sich ebenfalls, und so haben wir einen tollen Abend zu viert erlebt. Als das Lokal zumachte, haben wir noch einen Absacker in einer Bar getrunken. Für meine Freundin waren die beiden alte Bekannte, so haben sich die Männer auf mich konzentriert. Und anscheinend waren sie beide zu haben. Ich habe mich gefühlt wie früher. Leicht, jung, attraktiv und unbeschwert. Zum ersten Mal konnte ich mir wieder vorstellen, dass mein Leben eine neue Richtung nehmen könnte.

Als ich zu Hause war, hatte ich zwei SMS auf meinem Handy. Die eine von Ekkehard, die andere von dem anderen Mann. An diesem Abend schlief ich glücklich ein. Zum ersten Mal seit Jahren weinte ich nicht wegen meiner unglücklichen Liebe.

Beide Männer wollten mich wiedersehen. Aber ich hatte vor allem an Ekkehard Interesse. Er merkte das auch und fing an, mich jeden Tag anzurufen. Ich kann gar nicht beschreiben, wie gut mir das tat. Er erzählte viel von sich. Einmal erklärte er: »Jemand, mit dem man sich befreunden will, soll doch wissen, auf wen er sich einlässt.« Ich habe das so gedeutet, dass er wirklich an einer Beziehung mit mir interessiert war.

Das ging einen Monat lang so. Ekkehard hat eine schöne tiefe Stimme, und ich freute mich auf unsere Gespräche. Ich suchte mir im Internet ein Bild von George Clooney, das ihm zum Verwechseln ähnlich sah, und schaute es bei unseren Telefonaten an. Trotzdem war ich insgesamt noch gar nicht richtig bereit, wieder einem Mann zu vertrauen. Aber offenbar begann mein Körper, sich langsam aus seiner Erstarrung zu lösen. Ich hatte bemerkt, dass ich abends immer häufiger mit dem letzten Gedanken bei Ekkehard war und nicht mehr bei meinem Exfreund. Und dabei fühlte ich mich gut. Irgendwann konnte es mir dann nicht mehr schnell genug gehen, und ich lud ihn für den nächsten Abend zu mir nach Hause zum Essen ein.

Ich habe Spargel gekocht, er hat einen feinen Weißwein mitgebracht, und so saßen wir an einem schönen warmen Maiabend auf dem Balkon. Er kam von einer Schulkonferenz und war noch im Anzug. Schick, schick, schick! Ich steh sowieso auf Männer, die sich elegant anziehen können. Als ich Wein nachholen wollte, kam er mir nach. Am Kühlschrank stellte er sich so hinter mich, dass ich beim Aufrichten direkt in seinen Armen landete. Er nahm meinen Kopf in seine Hände. Ich registrierte, dass er etwas größer war als mein Exfreund und ein bisschen kräftiger. Er beugte sich zu mir herunter und gab mir mit weichen Lippen einen zärtlichen Kuss. Ich roch ein gutes Parfüm, das ich nicht kannte. Ich stellte mich auf Zehenspitzen, wir drückten uns aneinander, und ich spürte mit Freude seinen festen Ständer. Er fasste unter mein Kleid an meinen Po und zog mich noch fester an sich heran. Sein Anzug war aus nachgiebigem Stoff. Ich trug ein leichtes Sommerkleid und konnte seinen Ständer genau spüren. Wir rieben uns aneinander, bis sein Ständer genau zwischen den Lippen meiner Vagina zu liegen kam. Ohne den Stoff zwischen uns hätte er jetzt in mich eindringen können. Wir bewegten uns keinen Millimeter mehr voneinander weg. Ich hatte das Gefühl, von meiner eigenen Feuchtigkeit überschwemmt zu werden, und war hundertprozentig bereit, diesen schönen, festen Schwanz in mir aufzunehmen. »Lass uns ins Schlafzimmer gehen. Den Wein können wir später trinken«, schlug Ekkehard vor. Es war alles perfekt.

Er legte sich auf mich und drang in mich ein

Im Schlafzimmer zog sich jeder alleine aus. Ich mag das nicht, wenn jemand an meinen Kleidern rumfummelt, und ich finde, ein Mann kann sich seinen Slip auch ganz gut selbst runterstreifen. Ich war als Erste fertig, legte mich ins Bett und schaute ihn an. Das klingt jetzt vielleicht kitschig, aber ich liebkoste ihn mit meinen Blicken. Ich bemühte mich, ihn nicht anzustarren, aber ich konnte einfach nicht weggucken.

Er legte sich neben mich, und wir fassten uns an. Zum ersten Mal seit so langer Zeit wieder fremde Haut. Sein Ständer war jetzt ein bisschen schwächer als vorhin. So streichelten und küssten wir uns. Bis jetzt war alles noch wunderbar. Ich stellte mir vor, ihn gleich ganz und gar in mir zu spüren, und konnte an gar nichts anderes mehr denken. Doch leider wurde sein Schwanz immer weicher und kleiner. Nach meiner Erfahrung passiert das Männern beim ersten Mal häufig. Das ist wahrscheinlich die Versagensangst. Würde ich jetzt weiter an ihm rummachen, geriete er nur noch mehr unter Erfolgsdruck, und es ginge gar nichts mehr. Deswegen verhalte ich mich in solchen Momenten immer möglichst unbefangen und tue so, als hätten wir gar nicht vorgehabt, schon jetzt miteinander zu schlafen. So kann ein Mann sein Gesicht wahren, er muss nichts erklären und nichts beweisen, und irgendwann kommt der Ständer schon von ganz alleine wieder. »Machen wir doch mal eine kleine Pause. Ich hole unseren Wein ans Bett«, kündigte ich ihm an. Als ich wiederkam, saß er gemütlich an die Wand angelehnt und begann, mir eine lustige Geschichte aus seiner Vergangenheit zu erzählen. Ich stieß mit ihm an, schmiegte mich an ihn und zeigte ihm, dass alles in Ordnung war. Später gab ich ihm eine Zahnbürste, und wir legten uns schlafen. Ich drehte ihm den Rücken zu und drückte meinen Po an sein Becken. Und da ging es mit einem Mal weiter. Sein Ständer wuchs wieder, Ekkehard legte sich auf mich und drang in mich ein. Ich war erleichtert. Wir begannen uns zu bewegen, uns zu küssen, uns anzufassen. Wir fanden in einen gemeinsamen Rhythmus hinein. Und dann – kam er. Er stöhnte kurz, entspannte sich und blieb auf mir liegen. Seinen Schwanz ließ er in mir drin. Ich war überrascht. Es waren doch erst drei oder vier Minuten vergangen, oder? Das war doch kein richtiger Sex! Das war noch nicht einmal ein Vorspiel. Na ja, andererseits hatte es auch wieder etwas, dass er jetzt so ganz bei mir blieb. Ich merkte, wie sein Sperma langsam aus mir herauslief, und fand das schön und hingebungsvoll. Ekkehard begann tiefer zu atmen und schien wirklich einzuschlafen. Sein Schwanz wurde kleiner und rutschte irgendwann von selbst aus mir heraus. Als mein Bein zu kribbeln anfing, bewegte ich mich, und er drehte sich zur Seite. »Daran können wir ja noch arbeiten«, dachte ich mir und versuchte auch einzuschlafen.

Ich habe in all den Wochen keinen Orgasmus erlebt

Von da an besuchte mich Ekkehard mehrmals in der Woche. Es war ein schöner Sommer, und wir saßen immer noch lange auf dem Balkon und unterhielten uns. Er zog mich dann oft zu sich heran, sodass wir ganz eng beieinander saßen. Ich roch seinen Atem, sein Parfüm, ich spürte seinen Ständer und war immer wieder aufs Neue erregt. Aber im Bett kamen wir nicht weiter. Es war zwar nie mehr ein Problem für ihn, in mich einzudringen. Aber es ging mir zu schnell. Immer nach ein paar Mal Hin- und Herbewegen war das Vergnügen schon wieder vorbei, und er schlief ein. Ich hatte in all den Wochen noch keinen Orgasmus erlebt. Was sollte ich nur machen?

Eines Abends fragte ich ihn, ob wir mal etwas Neues ausprobieren könnten. Er murmelte irgendwas, was ein »Ja«, aber auch ein »Nein« sein konnte. Ich erklärte ihm, dass ich als Frau ein bisschen länger brauche, um zum Orgasmus zu kommen, und schlug ihm vor, meinen Vibrator zu Hilfe zu nehmen. Also, begeistert hat er nicht geschaut. »So was hab ich noch nie gemacht«, brummte er, »ich weiß nicht, ob ich das kann.« Ich hab ihm dann den Vibrator in die Hand gegeben und seine Hand ein bisschen geführt. Aber er sah so unglücklich dabei aus, dass er mir richtig leidtat und ich zu ihm meinte, das sei doch nur ein Vorschlag gewesen. Erleichtert legte er den Kunstpenis weg, drang in mich ein – und ein paar Minuten später waren wir wieder fertig.

Tja, und das war auch schon die ganze Geschichte. Nach diesem missglückten Abend schrieb er mir in einer E-Mail, dass er für ein paar Tage seine Eltern besuchen werde, auch um über einiges nachzudenken, dass ich mir aber keine Sorgen machen solle. Eine Woche später, während der er tatsächlich kein einziges Mal angerufen hat, kam eine neue E-Mail: Er wolle mir nicht etwas vorgaukeln, was nicht da sei. Er habe die langen Gespräche auf dem Balkon und die sexuellen Ausflüge sehr genossen. Aber er habe das Gefühl, ich würde mehr von ihm wollen, womöglich einen neuen Partner in ihm sehen, was er aber nicht sein könne. Deswegen würde er sich schlecht vorkommen, meinen Hoffnungen auch nur eine Minute länger weiteren Nährboden zu geben.

So eine schöne, formvollendete Absage! Weswegen er sich nun aber wirklich von mir getrennt hat, weiß ich bis heute nicht. Vielleicht wirkte ich mit meinem Liebeskummer tatsächlich zu bedürftig? Vielleicht war ich zu emotional, wenn ich ihn manchmal voller Glück anschaute? Vielleicht habe ich mir auch ein falsches Bild von ihm, meinem George Clooney, gemacht? Vielleicht aber hatte auch er anfangs etwas anderes in mir gesehen, was ich nicht für ihn sein konnte? So viele Fragen. Aber je mehr Zeit verstrich, desto überzeugter wurde ich, dass Ekkehard den Vibrator wahrscheinlich als Eindringling in sein Revier verstanden hat. Der Grund für die Trennung war einfach nur verletzter Männerstolz. Aber was soll man dagegen machen? Wie hätte ich ihm klarmachen können, dass mir nicht gefiel, was er machte, und er so leicht Abhilfe hätte schaffen können, was er aber nicht tun konnte, weil er gekränkt war? Ich habe Ekkehard nie mehr angerufen und ihn bis heute nicht mehr wiedergesehen.

Oswalt Kolle ganz persönlich

»Er sollte dankbar sein, wenn eine Frau ihm genau sagt, was sie im Bett möchte«

Zunächst etwas ganz Grundsätzliches: Wer keine Kritik verträgt, steht mit dem Rücken an der Wand. Ein starker Mann kann auch im Bereich der Sexualität akzeptieren, dass er bestimmte Schwächen hat. Nur ein schwacher Mann regt sich auf, wenn er auf seine Schwächen angesprochen wird. Dabei sollte er doch dankbar sein, wenn eine Frau ihm genau sagt, was sie im Bett möchte.

Claudia in unserer Geschichte möchte beim gemeinsamen Sex zum Höhepunkt kommen. Dies ist ein legitimer Wunsch. Und vielleicht hatte sie zudem im Sinn, ihrem Freund zu helfen, denn ein sexueller Akt, der länger als ein paar Minuten dauert, ist im Allgemeinen auch für einen Mann befriedigender als eine schnelle Abhandlung. Für den Höhlenmenschen in der Steinzeit galt dies sicher noch nicht: Wenn er beim Sex bemerkte, dass schon der Bär vor dem Eingang die Tatzen leckt, war er höchstwahrscheinlich froh, den Sexualakt schnell zu Ende bringen zu können. Auch als bereits zivilisierter Mensch war der Mann die längste Zeit in der Menschheitsgeschichte nicht dazu angehalten, Rücksicht auf die Frau zu nehmen. Zumindest nicht hier im westlichen Kulturkreis. Denn tatsächlich ist es erst seit den 1930er-Jahren wissenschaftlich nachgewiesen, dass auch eine Frau Lust am Sex empfindet. Und dann bedurfte es noch der Erfindung der »Pille« in den 1950er-Jahren, damit sich Frauen ohne Angst vor einer Schwangerschaft ihren Empfindungen hingeben konnten. Sex war also meistens ein reiner Männersport, und die Herren der Schöpfung sahen keine Veranlassung, sich auf die Frau einzustellen. Entsprechende Ideen mögen sicher bei vielen Männern noch eine Rolle spielen.

Aber selbst wenn man all diese Aspekte berücksichtigt, reagierte Ekkehard sehr heftig. Er flüchtete ja regelrecht. Ich vermute deshalb, dass Ekkehard auch schon früher von anderen auf dieses Thema angesprochen worden ist. Männer, die immer zu schnell kommen, wissen meist genau, es entgeht ihnen und ihrer Partnerin viel an Genuss. So hat Claudia sehr wahrscheinlich einen wunden Punkt getroffen, und er wollte sich reflexhaft schützen.

Vielleicht wäre die Geschichte anders verlaufen, wenn Claudia ihrem Freund erst einmal sensibel erklärt hätte, wann und wie sie zum Orgasmus gelangt und wie er mit seinen Fingern dazu beitragen kann, anstatt ihm einen Vibrator in die Hand zu drücken. Als Mann könnte man diese Erklärungen wunderbar aufgreifen, zum Beispiel durch gemeinsame Masturbation (siehe auch Tipp). Denn das Problem der zu frühen Ejakulation tritt meistens beim Eindringen auf und nicht bei anderen sexuellen Aktivitäten. Ich kann mir denken, dass es Ekkehard auch leichter gefallen wäre, Claudia mit dem Vibrator zu befriedigen, wenn er einmal hätte beobachten können, wie viel Lust ihr die Selbstbefriedigung bereitet. Wenn die Frau dann kurz vor dem Orgasmus steht, ist das ein guter Zeitpunkt, um entweder nacheinander mit den Hilfsmitteln oder gemeinsam und vereinigt den Orgasmus zu erleben.

Wie auch immer: In einer guten Partnerschaft müssen prinzipiell beide dazu bereit sein, Anregungen vom Partner sowie sexuelle Hilfsmittel in Anspruch zu nehmen. Es geht nicht immer alles von alleine.

Wie lange ist richtig, und was lehren die alten Bücher der Liebeskunst?

In Claudias Geschichte geht es – unter anderem – um die richtige Dauer von Sexualität. Ekkehard scheint mit wenigen Minuten zufrieden zu sein, Claudia aber benötigt wohl, wie viele Frauen, eine deutlich längere sexuelle Betätigung, um zu einem Höhepunkt zu kommen. Dieses Problem wäre aber sicher gemeinsam lösbar, wenn da nicht noch ein weiterer Faktor erschwerend mitspielen würde, nämlich dass sich Ekkehard nichts sagen lässt, sondern sich offenbar sofort angegriffen fühlt.

Mit drei Minuten waren einige Experten schon zufrieden

Doch bleiben wir beim Thema Zeit: Wie lange ist richtig? Diese Frage stellten die US-Psychologen Eric Corty und Jenay Guardiani am Behrend College 50 Mitgliedern der Society for Sex Therapy and Research (Gesellschaft für Therapie und Erforschung der Sexualität) in den Vereinigten Staaten und in Kanada. 44 davon antworteten. Sie waren der Meinung, Sex (ohne Vorspiel, nur der eigentliche Geschlechtsakt), der ein bis zwei Minuten dauert, sei zu kurz. Aber mit drei Minuten waren einige Experten schon einverstanden. Und mehr als 13 Minuten hatte niemand gefordert. Irgendwo zwischen drei und 13 Minuten scheint also der sexuelle Himmel zu liegen. Damit wäre Ekkehard also gerade noch im akzeptablen Bereich. Erstaunlicherweise waren die Psychologen von den Antworten sogar sehr angetan, da diese die Männer vom Leistungsdruck befreien würden. »Die Leute werden sagen: ›Ich kann fünf Minuten‹ oder ›Mein Partner schafft acht Minuten‹, und sich dann denken: ›Das ist okay‹. Sie werden ein wenig entspannter an die Sache herangehen«, sagte Corty zur Veröffentlichung seiner Ergebnisse. Die US-Sexualtherapeuten sagten im Prinzip: So, wie die Menschen ihren Sex praktizieren, ist es okay, solange er nicht kürzer als drei Minuten dauert. Allzu weit entfernt sind die Psychologen damit nicht von der realen Situation in deutschen Betten. Denn verschiedene Befragungen nach der Dauer des Sexualaktes erbrachten einen Mittelwert um die fünf Minuten.

Die Zeitangaben von drei beziehungsweise fünf Minuten als minimale Dauer für den Geschlechtsakt sind auch auf andere Weise wissenschaftlich festgelegt: Von einem vorzeitigen Samenerguss, also einer Ejaculatio praecox, spricht die Medizin, wenn der Sexualakt unter zwei Minuten dauert (wahlweise manchmal auch, wenn der Mann weniger als sieben Beckenbewegungen bis zum Orgasmus benötigt). Das heißt, mit einer Dauer von mehr als zwei Minuten beginnt laut Wissenschaft der »richtige« Geschlechtsverkehr.

Man soll den Sex genießen und sich dafür Zeit nehmen

Allerdings beklagt sich Claudia über die zu kurze Dauer, und diese Klage kommt einem nicht sonderlich neu vor. Es drängt sich die Vermutung auf, dass die Sexualwissenschaft bislang hauptsächlich von Männern betrieben und geschrieben wurde, denen natürlich die weibliche Sicht auf den Sexualakt fehlt. Denn die Forscher gehen offensichtlich davon aus, dass der gemeinsame Sexualakt mit dem Orgasmus des Mannes beendet ist.

Schauen wir deswegen einmal in die traditionellen Schriften zum Thema Liebe und Sexualität. In ihnen wird teilweise eine bedeutend längere Zeitspanne für den Sexualakt empfohlen, sogar bis zu einigen Stunden. Dies lehrt zum Beispiel der Taoismus, die altchinesische Volksreligion, zu der auch eine sexuelle Weisheit des Liebens gehört. Und das ist auch so im Tantra, einer Strömung der altindischen Philosophie. Aus dem Tantra ist unter anderem das »Kamasutra« hervorgegangen, ein Lehrbuch der Liebeskunst, für das der Gelehrte Vatsyayana Mallanaga (um 250 v. Chr.) die Schriften dreier unterschiedlicher Autoren zusammengefasst hat. Hier überall ist von einer bedeutend längeren Dauer des Sexualaktes die Rede, als sie die moderne westliche Wissenschaft fordert. Und dies scheint nicht einmal ein Kennzeichen der östlichen Liebeskunst zu sein, denn in unserem Kulturkreis findet sich antikes Schriftgut, das sich ebenfalls mit der ausgiebigen sexuellen Begegnung befasst. Gemeint ist der römische Dichter Ovid, der mit seiner »Liebeskunst« (1. Jahrhundert v. Chr.) drei schöne Bücher geschrieben hat, die zwar an Ausführlichkeit und Deutlichkeit hinter dem Kamasutra zurückstehen, aber dafür mit Humor, Esprit und reichen psychologischen Beobachtungen aufwarten.

Und so unterschiedlich die Verfasser und die Adressaten von »Kamasutra«, den taoistischen Schriften und Ovids »Liebeskunst« auch sind, in einem Punkt besteht Einigkeit: Man soll den Sex genießen und sich dafür Zeit nehmen. »Glaube mir, die Wonne der Venus darf nicht überstürzt, sondern muss allmählich durch langes Verzögern hervorgelockt werden. … Und lass du nicht die Geliebte im Stich, indem du ihr mit volleren Segeln vorauseilst, und auch sie soll nicht deiner Fahrt voraus sein. Eilt gemeinsam zum Höhepunkt … So musst du es halten, wenn euch genügend Zeit und Muße zur Verfügung steht und keine Furcht euch bei eurem heimlichen Tun zur Eile zwingt.« So rät Ovid im zweiten Buch seiner »Liebeskunst« (Zeilen 717 bis 730).

In den östlichen Traditionen wird stärker das Metaphysische des Liebesaktes herausgearbeitet. Sexualität wird als ein Mittel gebraucht, um besondere Gefühle und Erfahrungen des Einsseins zu erzeugen. Dieses mystische Element in der Sexualität ist ebenfalls nicht in wenigen Minuten herzustellen. In diesem Zusammenhang betont zum Beispiel in einer taoistischen Schrift (um 600 n. Chr.) ein sogenanntes Dunkles Mädchen gegenüber dem Gelben Kaiser, wie wichtig es ist, dass Mann und Frau ihren Höhepunkt so lange wie möglich zurückhalten. Der Weg ist das Ziel, nicht der Abschluss, das wird in diesen Schriften vermittelt.

Warum das Hinauszögern manchmal so schwer ist

Wer allerdings selbst nicht steuern kann, wann er zum Orgasmus kommt und deswegen spontan den Höhepunkt meist sehr früh erreicht, besitzt nicht die Freiheit, mit einer ausgiebigen Sexualität die Beziehung und die Gesundheit zu pflegen. Dies betrifft nach unserer Kenntnis hauptsächlich Männer, wie zum Beispiel Ekkehard in Claudias Geschichte. Solche Männer haben eine sehr niedrige Orgasmusschwelle, das heißt, der Orgasmus setzt schon ein, wenn sich die Erregung noch auf einem geringen Niveau befindet. Weswegen das Hinauszögern manchmal so schwer ist, hat verschiedene Ursachen. Wir reden dabei nicht von gelegentlichen Vorkommnissen, die auf Stress oder Aufregung zurückzuführen sind. Es geht hier um den dauerhaft zu früh einsetzenden Orgasmus. Nach neuester Erkenntnis liegt im Gehirn oft ein Mangel oder ein Ungleichgewicht von Botenstoffen (Neurotransmittern) vor, ähnlich wie bei einer Depression. Deshalb haben Ärzte betroffenen Männern oft kurzfristig ein antidepressiv wirkendes Mittel der neuen Art verschrieben, einen sogenannten selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI): Ein solches Antidepressivum blockiert die Transportstoffe, welche den wichtigen Botenstoff Serotonin nach erfolgter Signalübertragung zwischen zwei Nervenzellen wieder in seine Speicherplätze zurückbefördern. Das Serotonin verbleibt so länger am Wirkort, und damit steigt seine Wirksamkeit als Botenstoff. Auf eine noch nicht geklärte Weise spielt dieser Botenstoff Serotonin eine zentrale, hemmende Rolle für die Ejakulation. Das heißt, der vorzeitige Orgasmus kann über eine entsprechende Medikation beeinflusst werden. Mittlerweile ist ein Medikament mit dem Wirkstoff Dapoxetin auf dem Markt, bei dem es sich ebenfalls um einen SSRI handelt. Zwar ist das Medikament nicht dazu geeignet, die Anfälligkeit für den vorzeitigen Orgasmus zu therapieren, doch unter der Medikamenteneinnahme gelingt es, länger durchzuhalten. Im Mittel wird die Zeit bis zur Ejakulation – gemessen ab dem Eindringen des Penis in die Scheide – von einem Ausgangswert von 0,9 Minuten auf über drei Minuten verlängert. Dapoxetin wird drei bis vier Stunden vor dem Geschlechtsverkehr eingenommen.

Ein Problem, das ein Paar gemeinsam lösen sollte

Die biochemische und genetische Erforschung des vorzeitigen Orgasmus hat neue Aspekte über seine Ursachen in die Diskussion gebracht. Denn bislang ging man davon aus, dass ein vorzeitiger Orgasmus rein psychisch bedingt sei. So wurde er als Zeichen einer Verachtung gegenüber der Frau gewertet, nach dem Motto: Du bist es mir nicht wert, dass ich meinen Orgasmus so lange aufspare, bis du auch etwas davon hast. Frauen gelingt diese Art von subtiler Entwürdigung übrigens auch, indem sie, natürlich ebenfalls unbewusst, nicht zum Orgasmus kommen. Dann lautet die Botschaft: Was bist du nur für ein Loser, du schaffst es nicht einmal, mich zum Höhepunkt zu bringen.

Heute hingegen wird vieles auf die Genetik zurückgeführt, so auch die Serotoninsituation im Gehirn. Wahrscheinlich handelt es sich aber um ein multifaktorielles Geschehen, bei dem sowohl die Gene als auch die Psyche und die Einstellung zur Partnerin beziehungsweise zum Partner eine wichtige Rolle spielen.

Der frühe Orgasmus ist jedenfalls ein Problem, das ein Paar gemeinsam lösen sollte, auch mit einem professionell geleiteten Paargespräch. Dabei können beide einige Verhaltensweisen lernen, um den Sexualakt zu verlängern und zu der Erkenntnis gelangen, dass nicht der Orgasmus das Wichtigste am Sex ist, sondern das intime Zusammensein mit dem Partner.

Der Weg ist das Ziel. – Eine solche Einstellung hätte auch Ekkehard und Claudia gutgetan. Das Eindringen ist ein Aspekt der Sexualität. Andere Aspekte sind, dass man sich gerne gegenseitig anfasst und dass es einem gefällt, wenn der Partner – auf welche Weise auch immer – in Lust und Befriedigung schwelgt, und dass dies einen selbst wiederum richtig anmachen kann.

Der heiße Tipp

Wie Sie den Orgasmus hinauszögern und damit die Lust am Sex steigern

Gegen den vorzeitigen Samenerguss gibt es einige Hilfen, sowohl mentale als auch medikamentöse. Beim Sex, wenn sich die Erregung verstärkt, hilft kurz vor dem Höhepunkt eine Ablenkung. Denken Sie an ein Schachspiel, lösen Sie Rechenaufgaben, denken Sie an Ihre Steuererklärung. Egal was, solange es nur nichts mit Sex zu tun hat. Das bringt Ihren Penis so sehr aus dem Konzept, dass er leicht schwächelt und es nicht zum Orgasmus kommt. Wenn Sie merken, dass Sie trotzdem gleich kommen, sollten Sie schleunigst Ihren Penis herausziehen. Dann sagen Sie ihrer Partnerin einfach, dass Sie sehr erregt sind, aber jetzt noch nicht kommen möchten.

Sie können auch alleine trainieren, später zu kommen, indem Sie bei der Selbstbefriedigung immer kurz vor dem Höhepunkt mit dem Reiben aufhören und eine kleine Pause machen. So lernen Sie, sich an den Orgasmus heranzutasten. Ihr Orgasmus kommt dann nicht mehr so überraschend und wie aus heiterem Himmel. Sie lernen dadurch, den Moment kurz vor dem Samenerguss genauer zu spüren, und wissen dann auch beim Zusammensein mit der Partnerin, wann Sie gegensteuern sollten. Übungen mit der Partnerin sind ebenfalls hilfreich: Zeigen Sie sich gegenseitig, wie Sie sich selbst befriedigen. Wenn Sie merken, dass Sie bald kommen werden, stoppen Sie Ihre Bewegungen. Auch das ist ein gutes Training, um die Erregung länger auszuhalten.

Es hilft alles nichts? Wie wäre es dann mit einer medikamentösen Unterstützung? Nicht dauerhaft, nur vorübergehend, um einmal ein Gefühl für die längere Ausdauer zu bekommen. Am einfachsten geht es mit einem Wirkstoff, der die Empfindlichkeit heruntersetzt. Sprühen Sie ihn kurz vor dem Geschlechtsverkehr auf die Eichel. Geeignet sind Lidocain und Capsicum, die eigentlich als lokale Betäubungsmittel bekannt sind, aber in niedriger Dosierung gegen Übererregbarkeit wirken. Oder sprechen Sie mit Ihrem Arzt über das neue Medikament auf der Basis eines Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmers (siehe oben).

Sie sollten sich als Mann aber nicht nur darauf konzentrieren, Ihren Orgasmus so lange wie möglich hinauszuzögern, sondern genauso auch darauf schauen, wie es Ihrer Partnerin geht. Wie wäre es zum Beispiel damit, sie mit verschiedenen Hilfsmitteln ausgiebig zu stimulieren, sodass sie schon zu einem oder mehreren Orgasmen kommt, bevor Sie eindringen? Zum Stimulieren können Sie auch einfach Ihre Finger nehmen und damit an ihrem Kitzler reiben. Die Frau soll Ihnen dann ruhig zeigen, wie es ihr am besten gefällt – lieber fester und ungestümer oder doch eher zärtlicher und langsamer. Auch mit der weichen Eichel des erigierten Gliedes lässt sich die Klitoris auf wunderbare Weise reizen. Dabei kann sowohl die Frau als auch der Mann den Penis führen. Denn niemals vergessen: Wenn Sie miteinander Liebe machen, heißt es niemals »dein Penis« oder »mein Penis«, sondern »unser Penis«. Wer ihn mag, kann ihn gebrauchen. Schließlich können Sie Ihre Partnerin auch mit der Zunge bis zum Orgasmus lecken, und zum Eindringen können Sie einen Kunstpenis (Dildo) verwenden.

Wichtig ist immer: Lassen Sie sich nicht drängen, auch wenn die Frau es sich wünscht, dass Sie endlich eindringen. Warten Sie damit so lange, bis Sie das Gefühl haben, Ihre Partnerin ist auf ihre Kosten gekommen. Das muss Ihnen nicht unangenehm sein, Sie können ja sagen, dass Sie es sich noch ein bisschen aufsparen möchten.

Die Dauer von Sexualität ist natürlich situationsbedingt. Wenn Sie sich wochenlang nicht gesehen haben und in 30 Minuten das Haus voller Gäste sein wird, bleibt nicht viel Zeit für raffinierte erotische Spiele. Da ist ein erster schneller Akt wahrscheinlich genau das, was Sie in dem Moment brauchen. Ebenso wenn Sie sich den ganzen Abend schon angeturnt haben und es dann einfach nicht mehr aushalten.

Ein Paar sollte aber auch die Freiheit haben, den Sexualakt zu inszenieren und zu zelebrieren, vor allem in einer längeren Beziehung. Dazu muss man sich zunächst einmal von der abschlusszentrierten Vorstellung von Sexualität lösen, die bei den meisten Menschen in unserem Kulturkreis vorherrschend ist. Wenn nun aber der Sexualakt wichtig wird und nicht der Höhepunkt, dann gelten neue Spielregeln. Dafür können uns Drehbuchautoren oder Filmregisseure von Krimis ein Vorbild sein. Sie achten darauf, dass es bis zum Schluss nie langweilig wird, und arbeiten mit spannenden und entspannenden Elementen. Werden Sie doch zu Regisseuren Ihrer gemeinsamen Lust: Manche Sexpraktiken sind auf Zärtlichkeit und Gefühl ausgerichtet, wie Küssen und langsame innige Bewegungen. Diese lösen Sie nach einer gewissen Zeit durch eine besonders erregende Etappe ab. Dabei können Sie Ihren Partner so weit reizen, bis Sie um einen Orgasmus angefleht werden. Oder Sie machen spielerisch das Gegenteil von dem, was der Partner will – bis Sie dann doch nachgeben. Nun legen Sie eine Pause ein, in der Sie sich gegenseitig massieren, bis die Berührungen wieder in Verlangen umschlagen. Wichtig ist, dass Sie immer mit dem Partner in »Gefühlskontakt« bleiben. Das bedeutet: Beobachten und erspüren Sie ihn aufmerksam, damit Sie merken, ob Sie beide noch im gleichen »Film« sind.